Die Künste gehören zu den ältesten Formen der heilenden Pädagogik. Die Anthroposophie hat eigenständige kunstpädagogische und kunst-therapeutische Formen hervorgebracht, die z. B. in eigenen staatlich anerkannten Fachhochschulen (Ottersberg) oder Hochschulen (Witten Herdecke) gelehrt werden. Sie stellen im Kontext unserer Einrichtung ein eigenständiges Element der Behandlung dar.
Prinzipiell ist zu sagen, dass die Künste alle Sinne des Menschen anzusprechen vermögen. Sie aktivieren die Perzeption, stimulieren sensorische Wahrnehmung und fördern somit die Kreativität. Es werden aber auch alle mit den Sinnesvermögen verbundenen Ausdrucksmöglichkeiten angeregt. Wichtig ist in unserem Ansatz, dass nicht nur ein Sinnes- und Ausdrucksvermögen einbezogen wird, sondern, dass alle Sinnes- und Ausdrucksvermögen einbezogen werden.
Die verschiedenen kunstpädagogischen und kunsttherapeutischen Möglichkeiten werden im Rahmen unserer Arbeit in dreifacher Hinsicht eingesetzt, einerseits mit diagnostischer Absicht, denn in der Gestaltung können sich unbewusste Konflikte, verdrängte Probleme zeigen. Traumatische Erfahrungen, für deren entsetzliche Qualität "keine Worte" gefunden werden, können in Formen und Farben Gestalt gewinnen, so dass eigentlich Unfassliches fassbar wird. Andererseits kann die Öde und Leere, die als Folge von Defiziterfahrungen in Jugendlichen als Atmosphären der Niedergeschlagenheit wirksam wird, durch die erlebnisstimulierende Kraft der künstlerischen Tätigkeiten mit alternativen Erfahrungen gefüllt werden. Weiterhin wird insbesondere durch den spezifisch anthroposophischen Ansatz harmonisierend und heilend auf die Gesamtkonstitution eingewirkt.
In unserer Kunstpädagogik geht es nicht primär um das Schaffen von Kunstwerken, auch geht es nicht so sehr um die Resultate, die "Produkte". Es geht um die Prozesse des Gestaltens und um den Jugendlichen, der seine schöpferischen Kräfte wachrufen und nutzen lernen soll.
Die Künste können zu "Heilkünsten" werden, wenn sie so ausübt werden, dass die Art der Technik, die Aufgabenstellung, die Arbeit am Prozess und mit den" Produkten" und noch manch andere Elemente auf bestimmte Entwicklungs- und Persönlichkeitsstörungen zurückwirken. Künstlerische Gestaltung kann Unsichtbares sichtbar machen.
Künstlerische Therapie ist ein Weg, durch praktische Übungen das Erleben neu anzuregen, sich selbst neu wahrzunehmen, Lebensprobleme auf einer kreativen Ebene zu gestalten und im Transfer, eigene Schritte zu entwickeln. Jede dieser zur Heilform hin modifizierten Künste hat einen unterschiedlichen Anwendungsbereich, verschiedene Stimulierungs-qualitäten, Gestaltungs- und Ausdrucksmöglichkeiten.
Folgende Künste setzen wir ein:
Durch ihre künstlerische Eigenart und Verschiedenheit (man denke z. B. an die Verschiedenheit von Plastizieren und Musizieren) und der verschiedenen künstlerischen Techniken (z. B. Töpfern, Aquarellmalen oder Schwarz-Weiß-Zeichnen, Leier- oder Schlagzeug spielen) ergeben sich differenzierte Wirksamkeiten. Die verschiedenen künstlerischen Betätigungen haben gestaltende, aktivierende und lösende bzw. entspannende Qualitäten. Gemäß dieser Unterschiede, die körperlichen oder seelischen Einseitigkeiten entsprechen (wie z. B. Formen und Auflösen, Ablagern und Bewegen, Anspannen und Loslassen), können durch die Eigenaktivität des Kindes bzw. Jugendlichen gezielt Symptome angegangen, Probleme bearbeitet sowie Unausgeglichenheiten ausgeglichen und überwunden werden.